Thursday, February 28, 2019

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Ostgebiete des Deutschen Reiches – Wikipedia


Die ehemaligen deutschen Ostgebiete.


Gebietsveränderungen Deutschlands 1918–1990

Als Ostgebiete des Deutschen Reiches oder auch ehemalige deutsche Ostgebiete werden die Territorien östlich der Oder-Neiße-Linie bezeichnet, die am 31. Dezember 1937 zum Gebiet des Deutschen Reiches gehört hatten,[1] 1945 nach Ende des Zweiten Weltkriegs von Deutschland faktisch abgetrennt wurden und heute zu Polen und Russland gehören. Diese Gebiete machten etwa ein Viertel der Fläche, ein Siebtel der Bevölkerung und einen deutlich unterdurchschnittlichen Anteil an der Industrieproduktion Deutschlands aus.[2] In der Volksrepublik Polen wurden diese Gebiete als „Wiedergewonnene Gebiete“ (polnisch Ziemie Odzyskane) oder als „westliche und nördliche Gebiete“ (polnisch Ziemie Zachodnie i Północne) bezeichnet.

Zu den Ostgebieten des Deutschen Reiches im weiteren Sinne werden auch Gebiete gezählt, die Deutschland bereits nach dem Ersten Weltkrieg im Jahre 1920 aufgrund des Versailler Vertrages von 1919 abtreten musste: die Großteile der preußischen Provinzen Posen und Westpreußen, das vormals ostpreußische Gebiet von Soldau und das oberschlesische Industriegebiet (an Polen) sowie das Hultschiner Ländchen (an die Tschechoslowakei) und das Memelland (an die alliierten Mächte, 1923 von Litauen annektiert), außerdem die Stadt Danzig als Freie Stadt Danzig.





Nach der Annexion polnischer Gebiete im Rahmen der Teilung Polens 1939 wurden die in die preußischen Provinzen Ostpreußen, Schlesien sowie die Reichsgaue Wartheland und Danzig-Westpreußen, also die in das Staatsgebiet des nationalsozialistischen Deutschen Reiches inkorporierten Gebiete amtlich als „eingegliederte Ostgebiete“ bezeichnet (siehe „Germanisierungspolitik“).[3][4] Von diesem bis 1945 gültigen, räumlich anders definierten Begriff ist die Bezeichnung Ostgebiete des Deutsche Reichs zu unterscheiden.



In dem preußischen Gesetz betreffend die Gründung neuer Ansiedelungen vom 10. August 1904 war in Paragraf 13b ein Teil Preußens definiert, in dem die Erteilung einer Ansiedlungsgenehmigung außerhalb geschlossener Ortschaften davon abhängig gemacht wurde, dass, vom Regierungspräsidenten bescheinigt, die Ansiedlung nicht im Gegensatz zu den Zielen des Ansiedlungsgesetzes vom 26. April 1886 stehe, also nicht der Ansiedlung von Nichtdeutschen, insbesondere Polen, diene; das Gebiet umfasste die im Ansiedlungsgesetz selbst genannten Provinzen Posen, Westpreußen, darüber hinaus aber auch die Provinzen Ostpreußen und Schlesien sowie die Regierungsbezirke Frankfurt, Cöslin und Stettin.[5][6] Damit lagen die späteren Ostgebiete des Deutschen Reiches innerhalb des Territoriums, in dem ethnische Polen bei der Ansiedlung und dem Hausbau außerhalb geschlossener Ortschaften ab 1904 diskriminiert wurden.



Westverschiebung Polens: Kompensation für Gebietsverluste östlich der Curzon-Linie durch deutsche Gebiete im Norden und Westen

Vorgeschichte und Entscheidungsfindung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Entsprechend dem geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts hatte die Sowjetunion 1939 die polnischen Gebiete östlich der Flüsse Narew, Weichsel und San besetzt. Auch nachdem sie Teil der Anti-Hitler-Koalition geworden war, weigerte sich die Sowjetunion, diese Gebiete an Polen zurückzugeben. Auf der Konferenz von Teheran 1943 erreichte Josef Stalin die grundsätzliche Zustimmung des britischen Premiers Winston Churchill und des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt zur Westverschiebung Polens: Die Gebietsverluste des Landes sollten durch deutsche Gebiete östlich der Oder kompensiert werden. Den Norden Ostpreußens mit Königsberg beanspruchte Stalin für die Sowjetunion selbst.[7] Die polnische Exilregierung war damit nicht einverstanden: Sie bestand auf der Grenze, wie sie nach dem polnisch-sowjetischen Krieg im Frieden von Riga 1920 vereinbart worden war. Im Westen strebte sie nur den Erwerb Ostpreußens, Danzigs, Oberschlesiens und kleinerer Teile Pommerns an, denn die bei größerem Territorialerwerb notwendige Umsiedlung der acht bis zehn Millionen Deutschen, die diese Gebiete bewohnten, hielt sie für undurchführbar. Diese Haltung wurde von Amerikanern und Briten geteilt.[8] Doch auch auf der Konferenz von Jalta vom Februar 1945 konnten sich Churchill und Roosevelt nicht mit Stalin einigen. Man bestätigte zwar die polnische Ostgrenze, wie sie in Teheran festgelegt worden war, im Westen wurde Polen aber nur vage eine Entschädigung auf Kosten Deutschlands zugesagt.[9]


Faktische Abtrennung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Nach dem Einmarsch der Roten Armee schuf noch vor Kriegsende Stalin Fakten: In einem Dekret des sowjetisch kontrollierten Landesnationalrats vom 2. März 1945 hieß es, alles deutsche Vermögen in den Ostgebieten sei „aufgegeben und verlassen“, weshalb es eingezogen wurde. Am 14. und 20. März wurden die Wojewodschaften Masuren, Oberschlesien, Niederschlesien, Pommern und Danzig gegründet.[10] Am 21. April 1945 schloss die Sowjetregierung einen Vertrag mit der von ihr installierten provisorischen Regierung Polens, in dem sie ihr die Verwaltungshoheit über die unter sowjetischer Besatzungsgewalt stehenden Gebiete östlich der Oder und der Lausitzer Neiße übertrug.[11] Am 24. Mai 1945 unterstellte die Sowjetregierung diese Gebiete offiziell dem polnischen Staat, wobei sie am 5. Juni 1945 noch als Teil der sowjetischen Besatzungszone verstanden wurden.[12] Die Rechtswissenschaftlerin Susanne Hähnchen schreibt, dass nach der Berliner Erklärung „die Alliierten auch formell die oberste Regierungsgewalt für das Gebiet des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 [übernahmen]; die Ostgebiete kamen zunächst unter sowjetische, dann unter polnische Verwaltung.“[13] Laut dem Historiker Gerrit Dworok spielten diese Grenzen in der staatsrechtlichen Praxis indes keine Rolle mehr.[14]

Auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 nahmen Großbritannien und die USA diese von der Sowjetunion geschaffenen Tatsachen unter dem schwachen Vorbehalt zur Kenntnis, die endgültigen Grenzen dürften erst in einem zu schließenden Friedensvertrag verabredet werden.[15] Sie sicherten Stalin aber zu, im Falle entsprechender Verhandlungen die sowjetischen Ansprüche auf das Gebiet um Königsberg unterstützen zu wollen.[16] Kurz zuvor waren sie in der „Feststellung über das Kontrollverfahren“ (der Berliner Deklaration) vom 5. Juni 1945 noch von einem deutschen Territorium in den Grenzen von 1937 ausgegangen.[17][14] Die Siegermächte beschlossen neben dem Friedensvertragsvorbehalt für die endgültige Grenzziehung, dass ein Alliierter Kontrollrat für eine einheitliche Besatzungspolitik in den Besatzungszonen sorgen sollte. Für die deutschen Ostgebiete galt dies jedoch nicht: Die Potsdamer Schlusserklärung vom 2. August 1945 hielt fest, dass die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie nicht als Teil der sowjetischen Besatzungszone betrachtet und stattdessen fremder Verwaltung unterstellt werden sollten. Völkerrechtlich blieb diese Situation bis zur Zession aufgrund des Zwei-plus-Vier-Vertrages vom 12. September 1990 bestehen, faktisch gliederten Polen und die Sowjetunion den ehemals deutschen Osten jeweils in ihr Staatsgebiet und damit staatsrechtlich in ihre Verwaltungsstrukturen ein.


Sowjetische Verwaltung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Ebenso kam der nördliche Teil Ostpreußens um Königsberg unter vorläufige sowjetische Verwaltung. Das Königsberger Gebiet (nördliches Ostpreußen) wurde 1946 unmittelbar in die russische Teilrepublik der UdSSR (RSFSR) integriert; es heißt heute Oblast Kaliningrad und ist nach dem Zerfall der Sowjetunion weiterhin eine russische Exklave.[18]


Polnische Verwaltung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Größte westwärts gerichtete Ausdehnung des polnischen Herrschaftsgebietes unter den Piasten (um 1025)


Der südliche Teil Ostpreußens, die östlichen Teile der preußischen Provinz Pommern (Hinterpommern), der Mark Brandenburg (Ost-Brandenburg) und des Landes Sachsen sowie die preußischen Provinzen Nieder- und Oberschlesien wurden Polen zur vorläufigen Verwaltung übertragen.

Im polnischen Sprachgebrauch wurde im Sinne der polnischen Westforschung die Bezeichnung wiedergewonnene West- und Nordgebiete oder einfach nur wiedergewonnene Gebiete geprägt.[19] Dies bezieht sich auf die teilweise Zugehörigkeit dieser Territorien zum piastischen Königreich Polen ab der Staatsgründung im 10. Jahrhundert sowie zu polnischen Herzogtümern, in die das Königreich nach 1138 zerfallen war. Die Zugehörigkeit dieser Territorien zu Polen umfasst einen Zeitraum vom Früh- bis Spätmittelalter sowie ihre slawische Vorgeschichte vor Beginn der deutschen Ostsiedlung. Ostgermanische und baltische Besiedlungen im Zeitalter der Antike bleiben hierbei unbeachtet.


Anerkennung der polnischen Westgrenze und gesamtdeutscher Verzicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Alle Regierungen der Bundesrepublik Deutschland bis 1990 vertraten den Standpunkt, dass die Abschlusserklärung der Potsdamer Konferenz die fraglichen Ostgebiete weder Polen noch der Sowjetunion zugesprochen habe, und jede endgültige Entscheidung bis zu einer friedensvertraglichen Regelung zurückgestellt sei.[20]

Zur Bundestagswahl 1949 warb die Sozialdemokratische Partei Deutschlands mit einem Plakat, das sogar den Polnischen Korridor von 1920 ignorierte. In seinem Grußwort zum Schlesiertreffen am 8. Juni 1963 rief Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister von West-Berlin aus: „Deutsche Ostpolitik darf nie hinter dem Rücken der Vertriebenen gemacht werden. Wer die Oder-Neiße-Linie als Grenze betrachtet, die von unserem Volk akzeptiert ist, belügt die Polen.“[21]

Die Deutsche Demokratische Republik erkannte im Görlitzer Grenzabkommen mit der VR Polen vom 6. Juli 1950 die Oder-Neiße-Linie als „Friedensgrenze“ und aus ihrer Sicht endgültige Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen an. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland teilten damals diesen Standpunkt nicht und maßen dem Abkommen keine rechtliche Bedeutung zu. Sie vertraten außerdem den Fortbestand des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937, wonach die Ostgebiete grundsätzlich als deutsches Inland zu gelten hatten und für deutsche Staatsbürger der Zwischenkriegszeit sowie deren Nachfahren eine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit fortbestehe.

In der alten Bundesrepublik vor 1990 (das heißt alte Bundesländer und Berlin (West)) bildete der Rechtsstatus der Ostgebiete einen großen Teil der offenen deutschen Frage. Die Ostpolitik von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat war bis Mitte der 1960er-Jahre auf eine Revision der Grenzen ausgerichtet; sie beriefen sich auf das Völkerrecht und verschiedene völkerrechtliche Verträge, insbesondere auf die Haager Landkriegsordnung und die Atlantik-Charta. Die neue Ostpolitik der Großen Koalition von 1966 und später verstärkt die sozialliberale Koalition ab 1969 vollzog einen allmählichen Wandel durch Annäherung.[22] Mit dem Warschauer Vertrag von 1970 erkannte die Bundesrepublik Deutschland die Zugehörigkeit dieser Gebiete zu Polen an. Auf Grund des bis 1990 geltenden Vorbehalts der Alliierten für Fragen, die Deutschland als Ganzes und den Berlin-Status betreffen, war es der Bundesrepublik Deutschland jedoch verwehrt, eine völkerrechtliche Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Grenze vorzunehmen und auf die Rückforderung der Gebiete zu verzichten.[23][24]

Erst im Zuge der deutschen Wiedervereinigung wurde 1990 die Abtrennung der Ostgebiete durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag völkerrechtlich vollzogen (Übertragung der territorialen Souveränität an Polen bzw. die Sowjetunion/Russische Föderation) und die Oder-Neiße-Grenze festgeschrieben, die wenig später von Deutschland im deutsch-polnischen Grenzvertrag vom 14. November 1990 formal bestätigt wurde.[25] Letzterer trat am 16. Januar 1992 in Kraft. Damit wurden sämtliche Kriegsfolgefragen zu einem Abschluss gebracht.[26] Mit der Änderung des deutschen Grundgesetzes vom 23. September 1990 wurde in der Präambel nunmehr festgestellt, dass „die Einheit […] Deutschlands vollendet“ ist.



Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]




Im Einzelnen umfassen die Ostgebiete die preußischen Territorien:



Die preußische Grenzmark Posen-Westpreußen (die 1919 bei Deutschland verbliebenen Restgebiete der Provinz Posen und Westpreußens) mit einem Gebiet von 7.695 km² wurde 1938 unter ihren drei Nachbarprovinzen aufgeteilt und ist in den obigen Zahlen mit eingerechnet.
Der Gesamtumfang der Ostgebiete beträgt 114.267 km² (die Differenz zu 114.269 km² ist rundungsbedingt), was etwa einem Viertel Deutschlands in den Grenzen von 1937 entsprochen hat.

In den Ostgebieten des Deutschen Reiches lebten 1939 etwa 9.620.800 Menschen (davon 45.600 ohne deutsche Staatsangehörigkeit). Von diesen entfielen auf


  • Ostpreußen: 2.488.100 Einwohner (davon 15.100 ohne deutsche Staatsangehörigkeit),

  • Schlesien: 4.592.700 Einwohner (davon 16.200 ohne deutsche Staatsangehörigkeit; Zahlen der Bevölkerung Zittaus enthalten),

  • Pommern: 1.895.200 Einwohner (davon 11.500 ohne deutsche Staatsangehörigkeit),

  • Ost-Brandenburg: 644.800 Einwohner (davon 2.800 ohne deutsche Staatsangehörigkeit).[27]

Wichtige Städte in den deutschen Ostgebieten waren unter anderem Breslau (1925: 614.000 Einwohner), Königsberg i. Pr. (russisch: Kaliningrad, 294.000), Stettin (270.000), Hindenburg O.S./Zabrze (132.000) und Gleiwitz (109.000).


Erweiterte Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]



Nach Auffassung mancher Politiker werden analog zu dem einheitlichen Vertreibungsgebiet nach dem Bundesvertriebenengesetz auch die Regionen den deutschen Ostgebieten (nicht allein des Reiches) zugerechnet, die bis ca. 1918 beziehungsweise 1919 Teil des Deutschen Reichs oder Österreich-Ungarns waren, in der Zwischenkriegszeit an das Deutsche Reich oder die Republik Österreich grenzten und von 1938/39 bis 1945 wieder zum deutschen Hoheitsgebiet gehörten. Hier lebten viele Deutsche nach Eigenidentifikation, Sprache und Kultur, für die häufig der Terminus Volksdeutsche gebräuchlich war und die meistens nicht die deutsche oder österreichische Staatsbürgerschaft besaßen.

Folgende Gebiete, die bis 1919 Teil des Deutschen Reiches waren, hatten bis Ende der 1940er-Jahre einen überwiegenden oder hohen deutschen Bevölkerungsanteil:



Folgende habsburgisch geprägten Gebiete, die bis 1918 Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie waren, hatten bis Ende der 1940er-Jahre einen überwiegenden oder hohen deutschen Bevölkerungsanteil:





In den ehemaligen deutschen Ostgebieten werden seit dem Austausch der Bewohner in den Jahren nach 1945 „neue Mischdialekte“ des Polnischen gesprochen.


Die Bevölkerung der Ostgebiete des Deutschen Reiches wurde in den Jahren 1944 bis 1949 durch die Flucht vor der Roten Armee und die Vertreibung der Deutschen sowie die Neuansiedlung von Polen, Ukrainern und Lemken bzw. Russen fast vollständig ausgetauscht. Ein Teil der Neuangesiedelten war seinerseits vertrieben worden: Zwischen 1,4 und 1,9 Millionen Polen kamen infolge der Westverschiebung Polens aus den von der Sowjetunion besetzten Gebieten östlich der Curzon-Linie. Im Rahmen der Aktion Weichsel wurden 1947 auch Ukrainer und Lemken zwangsweise aus Südostpolen in die früheren deutschen Gebiete umgesiedelt.

Die Zahl der deutschen Vertriebenen allein aus den Ostgebieten des Reiches (Preußen) belief sich in:


  • Ostpreußen auf 1.890.000,

  • Schlesien auf 3.210.000,

  • Ostpommern auf 1.470.000 und

  • Ostbrandenburg auf 410.000 Menschen.

Insgesamt mussten demnach 6.987.000 Deutsche ihre angestammte Heimat verlassen.[28] Knapp sieben Millionen von ihnen flüchteten nach Westdeutschland und in das Gebiet der DDR.[29]

Schätzungsweise rund zwei Millionen Deutsche sind durch Flucht und Vertreibung ums Leben gekommen, insbesondere in Ostpreußen, Pommern und Ostbrandenburg.
Heute leben in den Ostgebieten noch etwa 400.000 Deutsche, hauptsächlich in Oberschlesien. Sie wurden bis zum Zerfall des kommunistischen Regimes diskriminiert. Nach 1990 bekamen viele Gemeinden in Oberschlesien deutschstämmige Bürgermeister, auch deutsche Schulen wurden dort – zumeist dank deutscher Finanzierung – errichtet. Im Januar 2005 hat der polnische Sejm ein Minderheitengesetz verabschiedet, wonach in etwa 20 Gemeinden in Oberschlesien mit mehr als 20 % deutschsprachigem Bevölkerungsanteil zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden können und Deutsch als Verwaltungshilfssprache eingeführt werden kann.



Die Ostgebiete waren agrarisch geprägt. Ausnahmen stellten die Großstädte wie Königsberg und Breslau sowie das oberschlesische Kohlerevier dar. Mit den Ostgebieten verlor Deutschland rund ein Viertel seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche. Die Industrieproduktion lag bis zuletzt deutlich unter dem Reichsschnitt; während im gesamten Reich der Nettoproduktionswert 1936 bei 494 Reichsmark lag, betrug er in den Ostgebieten 229.[2]
Der Gesellschaftshistoriker Hans-Ulrich Wehler schätzt, dass der Verlust dieser Gebiete durch den damit verbundenen Abbau regionaler Disparitäten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beider deutscher Staaten nachhaltig begünstigt hat.[30] Für die SBZ und die spätere DDR bedeutete der Verlust des industriereichen Schlesiens sowie der Odermündung mit dem bedeutenden Hafen Stettin zunächst aber eine erhebliche wirtschaftliche Belastung. Die Wirtschaftsbeziehungen der Betriebe mussten weitgehend neu ausgerichtet werden. Der als Ersatz für Stettin ausgewählte Hafen Rostock war nicht nur wesentlich kleiner, sondern lag auch an keinem schiffbaren Fluss und musste erst noch zum Hochseehafen ausgebaut werden.

Die mit dem Verlust der Ostgebiete einhergehende „Zerstörung der ostdeutschen Adelswelt“, die als ostelbische Junker Politik und Gesellschaft des Kaiserreichs lange dominiert und noch beim Niedergang der Weimarer Republik eine unrühmliche Rolle gespielt hatten, wird von Wehler dagegen als „enorme strukturelle Begünstigung des Aufbaus der Bundesrepublik“ angesehen.[31] In ähnlicher Weise verweist der Historiker Manfred Görtemaker darauf, dass durch den Verlust der Ostgebiete der Bundesrepublik im Agrarsektor die Spannung zwischen der ostdeutschen Gutswirtschaft und den Familienwirtschaften, wie sie in West- und in Süddeutschland vorherrschend waren, und damit ein schwerwiegendes Strukturdefizit des Deutschen Reiches erspart blieb.[32]




Im Batterieturm von Schloss Burg befindet sich die Gedenkstätte des Deutschen Ostens.[33] Auf der Bronzetafel am Eingang heißt es:




„Der Schloßbauverein widmete den Batterieturm von Schloß Burg einer Gedenkstätte des Deutschen Ostens.
Bundespräsident Prof. Dr. Theodor Heuss weihte sie am 21. Oktober 1951 ein.
Die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen stiftete im Jahre 1956 die Glockenstube für die Silberglocke aus dem Königsberger Dom und zwei Glocken aus der Jakobuskirche zu Breslau und errichtete 1962 das Mahnmal der Vertreibung.“




„Nach Osten will ich kräh'n“ – Gedenkstein in Bussau (1979)




  • Dieter Blumenwitz: Denk ich an Deutschland. Antworten auf die Deutsche Frage. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1989, 3 Teile (2 Bde., 1 Kartenteil).

  • Herbert Kraus: Der völkerrechtliche Status der deutschen Ostgebiete innerhalb der Reichsgrenzen nach dem Stande vom 31. Dezember 1937, veröffentl. von s. n., 1962 (177 Seiten).

  • Manfred Raether: Polens deutsche Vergangenheit. Schöneck, 2004, ISBN 3-00-012451-9 (Neuausgabe als E-Buch).

  • Fritz Faust: Das Potsdamer Abkommen und seine völkerrechtliche Bedeutung. 4., neubearb. Auflage, Metzner, 1969 (420 Seiten).







  1. Vgl. Uwe Andersen, Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, Springer, Wiesbaden 1995, S. 548 f.; Patrick Lehn, Deutschlandbilder. Historische Schulatlanten zwischen 1871 und 1990. Ein Handbuch, Böhlau, Köln 2008, S. 493; Otto Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, 2. Aufl., Baden-Baden 1987, S. 640 ff.

  2. a b Werner Abelshauser: Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945. Beck, München 2004, S. 62.

  3. Seite mit Beispielen aus dem Reichsgesetzblatt 1941 Teil I, Inhaltsverzeichnis, S. 4, digitalisiert bei alex.onb.ac.at.

  4. Oliver Dörr: Die Inkorporation als Tatbestand der Staatensukzession, Duncker & Humblot, Berlin 1995, S. 344.

  5. Robert Zelle, Kurt Gordan, Rudolf Korn, W. Lehmann, Handbuch des geltenden Öffentlichen und Bürgerlichen Rechts, Springer, Berlin 1911, S. 84.

  6. Gesetzestext auf jstor.org

  7. Gerhard L. Weinberg: Eine Welt in Waffen. Die globale Geschichte des Zweiten Weltkriegs, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, S. 669.

  8. Dieter Blumenwitz: Oder-Neiße-Linie. In: Werner Weidenfeld, Karl-Rudolf Korte (Hrsg.): Handbuch zur deutschen Einheit 1949–1989–1999. Campus, Frankfurt am Main/New York 1999, S. 586.

  9. Norman Davies: Im Herzen Europas. Geschichte Polens. C.H. Beck, München 2006, S. 73.

  10. Dieter Blumenwitz: Oder-Neiße-Linie. In: Werner Weidenfeld, Karl-Rudolf Korte (Hrsg.): Handbuch zur deutschen Einheit 1949–1989–1999. Campus, Frankfurt am Main/New York 1999, S. 586 f.

  11. Alfred Grosser: Geschichte Deutschlands seit 1945, dtv, München 1987, S. 55–57.

  12. Jochen Abr. Frowein: Die Entwicklung der Rechtslage Deutschlands von 1945 bis zur Wiedervereinigung 1990, in: Ernst Benda, Werner Maihofer, Hans-Jochen Vogel (Hrsg.): Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., de Gruyter, Berlin 1994, S. 19–34, hier S. 21, Rn. 5.

  13. Susanne Hähnchen: Rechtsgeschichte. Von der Römischen Antike bis zur Neuzeit, 5. Aufl., C.F. Müller, Heidelberg 2016, S. 405, Rn. 879.

  14. a b Gerrit Dworok: „Historikerstreit“ und Nationswerdung. Ursprung und Deutung eines bundesrepublikanischen Konflikts. Böhlau, Wien 2015, ISBN 978-3-412-50238-6, S. 117 (abgerufen über De Gruyter Online).

  15. Henning Köhler: Deutschland auf dem Weg zu sich selbst. Eine Jahrhundertgeschichte. Hohenheim-Verlag, Stuttgart 2002, S. 440.

  16. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte II. Vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung, C.H. Beck, München 2014, S. 117.

  17. Wolfgang Benz: Deutschland unter alliierter Besatzung 1945–1949. In: Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 22, 10. neubearb. Aufl., Stuttgart 2009, S. 55 ff.

  18. Andreas Kossert: Damals in Ostpreußen. Der Untergang einer deutschen Provinz, DVA, München 2008, S. 140, 147.

  19. Vgl. hierzu Robert Brier, Der polnische „Westgedanke“ nach dem Zweiten Weltkrieg 1944–1950 (PDF; 808 kB), Digitale Osteuropa-Bibliothek: Geschichte 3 (2003).

  20. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung, Bd. 2, 4. Aufl., Beck, München 2002, S. 151.

  21. Preußische Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 3. April 2010.

  22. „Wandel durch Anbiederung“ (Rudolf Seiters)

  23. Ingo von Münch, Staatsrecht, Völkerrecht, Europarecht: Festschrift für Hans-Jürgen Schlochauer zum 75. Geburtstag am 28. März 1981, Walter de Gruyter, 1981, ISBN 3-11-008118-0, ISBN 978-3-11-008118-3, S. 31 ff.

  24. Rudolf Laun (Hrsg.), Internationales Recht und Diplomatie, Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1963, S. 11 f.

  25. Vgl. dazu Joachim Bentzien, Die völkerrechtlichen Schranken der nationalen Souveränität im 21. Jahrhundert, Peter Lang, Frankfurt am Main 2007, S. 68 f., 71 mit weiteren Nachweisen.

  26. Bernhard Kempen, Der Fall Distomo: griechische Reparationsforderungen gegen die Bundesrepublik Deutschland, in: Hans-Joachim Cremer, Thomas Giegerich, Dagmar Richter, Andreas Zimmermann (Hrsg.): Tradition und Weltoffenheit des Rechts. Festschrift für Helmut Steinberger, Springer, Berlin [u. a.] 2002, S. 179–195, hier S. 193.

  27. Aufgrund der 1938 durchgeführten Grenzänderungen bei der Auflösung der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen weicht der Gebietsstand von 1939 bei Schlesien, Pommern und Brandenburg von dem 1937 bestehenden ab.

  28. Walter Ziegler: Flüchtlinge und Vertriebene, Historisches Lexikon Bayerns, 6. September 2011, abgerufen am 14. Juni 2018.

  29. Jochen Oltmer: Migration. Zwangswanderungen nach dem Zweiten Weltkrieg

  30. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949. Beck, München 2003, S. 946.

  31. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949. Beck, München 2003, S. 956.

  32. Manfred Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart, C.H. Beck, München 1999, S. 165.

  33. Schlossbauverein Burg an der Wupper e.V.: Die Gedenkstätte des Deutschen Ostens (Memento vom 2. Oktober 2015 im Internet Archive)








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